Jörg Maurer, 1953 in Garmisch-Partenkirchen geboren, studierte nach dem Abitur unter anderem Germanistik, schloss mit einer Magisterarbeit über Arno Schmidt ab und war anschließend für einige Jahre als Deutsch- und Englischlehrer tätig. Als Autor von zwölf Kriminalromanen wie auch als Kabarettist wurde er mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Kabarettpreis der Stadt München, dem Agatha-Christie-Krimi-Preis, dem Publikumskrimipreis MIMI und dem Radio-Bremen-Krimipreis. Sein erster Krimi "Föhnlage" erschien 2009, seither sind seine Bücher mit Kult-Kommissar Jennerwein regelmäßig ganz oben in den Bestsellerlisten zu finden.
Wie sehen Ihr Alltag und Ihre Arbeit momentan aus?
Joseph Roth, eines meiner literarischen Vorbilder, hat seine Romane bekanntlich in quirligen Caféhäusern verfasst. Ich habe es ihm nachgetan und suche zum Schreiben gerne ähnlich inspirierende Kreativdestinationen auf: quatschlaute Kneipen, ausgebuchte ICE-Züge, überfüllte Badestrände. In der jetzigen Situation muss ich mich allerdings umorientieren. Momentan bin ich dabei, mir andere literarische Vorbilder zu suchen. Welche, bei denen der Abstand literarisches Programm ist: Marcel Proust (schrieb im Bett), Diogenes (dachte in der Tonne), Zarathustra (predigte in der Wüste) oder Arno Schmidt (zettelte in Bargfeld bei Celle).
Was ist die größte Herausforderung?
Bei ernsten Themen (Mord, Totschlag, Pandemien, Kometen, die auf die Erde zurasen) trotzdem eine Geschichte mit erlösender Pointe zu finden.
Worauf freuen Sie sich persönlich besonders, wenn die Krise mal vorbei ist?
Wenn ich mich mit meinem treuen italienischen Berater Emilio Spalanzani wieder treffen kann! Er ist ein geschickter Taschendieb aus Rom, hat mir schon viele Einblicke über die Arbeitsweise der Mafia gewährt und klagt zurzeit sehr über das Home Office. Sein Bruder Guiseppe ist Auftragskiller, und der kann natürlich gar nicht von zuhause aus arbeiten. Noch dazu, wo alle Zielobjekte Mundschutz tragen und aus der Ferne schwer zu identifizieren sind. Emilio und Guiseppe, ich grüße euch an dieser Stelle. Denn ich weiß zufällig, dass auch ihr das Buchjournal lest!
Welches Buch lesen Sie gerade?
Wie oft wird diese Frage wohl schon mit dem bekannten Kurt-Tucholsky-Zitat beantwortet worden sein: "Ich schreibe mir meinen kleinen Bedarf lieber selber." Und wie oft wird diese Frage wohl schon mit der Frage beantwortet worden sein, wie oft diese Frage wohl schon mit dem bekannten Kurt-Tucholsky-Zitat beantwortet worden ist? Und wie oft … ?
Welches Buch sollten Buchjournal-Leser*innen jetzt oder später unbedingt lesen?
Das blaue Buch. Es ist leicht zu finden. In der Lieblingsbuchhandlung zuerst geradeaus, am Tisch mit den gestapelten Neuerscheinungen vorbei, dann vor der Non-Book-Abteilung scharf links und wieder geradeaus zum Regal. In Hüfthöhe steht das blaue Buch. Kaufen und unbedingt lesen!
Was macht für Sie ein gutes Buch aus?
Der blaue Umschlag.
Welches Buch würde in Ihrer Bibliothek niemand erwarten?
Bücher in anderen Farben.
Wie sieht für Sie (in normalen Zeiten!) ein gelungener Tag aus?
Da ich bekanntlich aus Bayern stamme, natürlich ausschließlich so: Kurz nach dem Aufstehen ein langer, weißblauer Jodler. Vormittags Weißwurstwettessen unter Freunden. Mittags Treffen des Gebirgsschützenvereins, Zwölf-Uhr-Läuten – bum! Es folgt eine Abfahrt ins Tal auf der historischen Holzriese mit einem frisch gefällten Zirbelholzstamm, dann ab nach Hause zum traditionellen Fingerhakeln im engeren Familienkreis. Der Opa spielt im Hintergrund Zither, die Kinder führen einen Schuhplattler auf und singen dazu Gstanzl. Es geht weiter mit einem saftigen Abendessen - einem Schweinsbraten mit Pfundsknödeln, dann kommt die unvermeidliche Mitternachtsrauferei vor dem Wirtshaus auf dem Marktplatz… Nach diesem Tag sinke ich erschöpft ins Bett und lese James Joyce.
Welche geheime (oder weniger geheime...) Leidenschaft haben Sie?
Das Denken. Ich war auch schon in einer Selbsthilfegruppe deswegen, aber das hat nichts gebracht, ich bin wieder rückfällig geworden. Es ist und bleibt meine heimliche Leidenschaft. Denke ich.
Eine Eigenschaft, die Sie bewundern?
Blaue Bücher zu schreiben. (Ich glaube, das war eine Eigenschaft von Kurt Tucholsky.)
Wofür sind Sie dankbar?
Für jeden Grund zu lächeln.
Hier finden Sie eine Empfehlung der Hörbuchfassung von Jörg Maurers Krimi "Am Tatort bleibt man ungern liegen" - natürlich gesprochen vom Autor selbst!