Gelegentlich stellt sich bei mir ein kleiner Widerwille ein, wenn mir Übersetzungen von Texten in die Hände fallen, die ich lieber im Original lesen würde. Es hat durchaus seinen Reiz, Romane, Lyrik oder Sachliteratur in „fremden“ Sprachen zu erfassen – dem besonderen Klang dieser Sprachen zu folgen, den rhythmischen Eigenheiten, den einzigartigen Wortbedeutungen.
Doch längst nicht alle Menschen in Deutschland haben biografisch oder bildungsbedingt Zugang zu Mehrsprachigkeit. Ohne Übersetzungen hätten also schon Literaturen aus beliebten Weltsprachen wie Spanisch, Englisch oder Französisch es hierzulande schwer. Vor allem aber würden Geschichten aus Regionen übersehen, die jenseits von westlichen und europäischen Erfahrungen stattfinden. Texte von Autor:innen, deren literarische Verdichtungen uns von ihren Heimatländern oder von ihrer Sicht auf Deutschland erzählen könnten – von Verbindung und Ausgrenzung. Arabisch, Persisch oder Tigrinya etwa sind Sprachen, die in anderen Teilen der Welt teils weit verbreitet sind, hier jedoch einen geringen „Marktwert“ haben. Und nicht selten bleiben Autor:innen, die in diesen Sprachen schreiben, im deutschen Literaturbetrieb unsichtbar.
Ein kleiner Teil des riesigen Geschichten-Schatzes, den sie hüten, findet sich dieses Jahr in den Nominierungen der Leipziger Buchmesse für den Übersetzungspreis wieder. Neben Übertragungen aus dem Schwedischen, Französischen und argentinischen Spanisch trifft Nicole Naus deutsche Fassung eines lettischen Familienromans dort auf Lina Atfahs wunderschöne Lyrik – übersetzt von ihrem Ehemann Osman Yousufi, nachgedichtet von Brigitte Oleschinski und zweisprachig erschienen.