Neulich abends saß ich bei einer Lesung neben einer Frau, die sich kurz vor Veranstaltungsbeginn die Schuhe auszog. Sie tauschte ihre bequemen Sandalen gegen wunderschöne, gelb leuchtende Pumps. Als sie sah, dass ich sie aus den Augenwinkeln beobachtete, sagte sie: „Die hat meine Mutter mir vererbt. Wunderschöne Schuhe, sie drücken nur.“ Etwa eine Stunde später saß Khadija Abdalla Bajaber auf der Bühne, sprach über ihren Debütroman „The House of Rust“, und ich hörte ihr zu, als seien wir alte Bekannte.
Mit ein paar klugen Handgriffen hatte die künstlerische Leitung des African Book Festivals den Eröffnungsabend so gestaltet, dass Publikum und Autor:innen sofort miteinander ins Gespräch kamen. Zusammen saßen wir an großen Tischen, auf langen Bänken. An mehreren Orten im Raum waren kleine Bühnen und Begegnungsräume aufgebaut. Und vor uns lagen Glückskekse, in denen sich die Namen von Autor:innen befanden, mit denen man später eine Verabredung hatte.
Leider musste ich weg, bevor ich meinen Glückskeks-Partner Niq Mhlongo treffen konnte. Aber immerhin hatte ich da schon die Menschen in meiner Sitzreihe kennengelernt und Telefonnummern mit Khadija ausgetauscht. Ich verließ das Festival euphorisiert, weil die Begegnungen des Abends nachhallten. Die Gewissheit, wie unmittelbar die Erfahrungswelten mancher Autor:innen längst in meine eigenen hineinreichten. Ich hatte Tete Loeper, Laila Lalami, Bisi Adjapon und Max Lobe zugehört, deren Erzählkraft von Duala über Genf, Rabat, Los Angeles und Butare bis nach Berlin reichte. Sie berichteten von hochkomplexen Erfahrungen in verwobenen Welten, vom Erkunden der Identitäten, vom eigenen, vom anderen und von der Begegnung dazwischen.