Sie sind so verschieden. Künstlerin Ada ist die Geliebte eines Reeders und kinderlos. Lehrerin Toni verausgabt sich dabei, ein Bilderbuchleben für ihre Familie zu organisieren: Sie führt mit Vorliebe Listen, füllt jede Rolle perfekt aus und protokolliert sogar ihr eheliches Sexleben.
Auch äußerlich könnten die Schwestern kaum gegensätzlicher sein: Ada hat rote Locken, während Toni mit ihren dunklen Haaren ganz der Mutter ähnelt, die überraschend gestorben ist. Gut fünf Wochen nach der Beerdigung kommen die beiden in Gragaard zusammen, um den Nachlass zu sichten und das Anwesen an der Ostsee zu verkaufen. Hier sind sie aufgewachsen, hier lebte die Mutter bis zum Tod. Der Vater ist schon vor 20 Jahren gestorben und hatte die Familie für eine andere Frau verlassen. Ada und Toni finden so viele Dinge, die Geschichten erzählen: alte Ölbilder des Malers Maxim, der sie porträtierte; das Segelboot im Schuppen; und nicht zuletzt Briefe im Sekretär der Mutter, die Geheimnisse ans Licht bringen. Die zwei Wochen im Juni krempeln alles um. Das große Ausmisten, geschildert aus Adas Perspektive, weckt so viele Erinnerungen, dass es auch innerlich verwandelt. Die Rückschau hilft den ungleichen Schwestern, einander wieder näherzukommen.
Autorin Anne Müller hat es selbst als tiefen Einschnitt erlebt, als ihre Mutter das Haus ihrer Jugend verkaufte. „Damals kam mir die Idee, von zwei Schwestern zu erzählen, die nach dem Tod der Mutter das Familienhaus am Meer ausräumen müssen und dabei ihr eigenes Leben gleich mit aufräumen“, sagt sie. Über die Ostsee, von der auch sie stammt, sagt die Berlinerin: „Sie ist Herzensheimat, Humorheimat.“
Ihr Roman beglückt. Ohne Pathos schildert er einen Abschied, der neue Wege weist. Ein Buch, das ebenso aufwühlt wie amüsiert, das zu Tränen rührt, ohne rührselig zu sein.
Petra Mies