Buchjournal-Fragebogen

#Autorenbesuchen - Heute bei Regina Scheer

30. April 2020

Die Corona-Pandemie bestimmt derzeit unser Leben – und natürlich auch das von Autorinnen und Autoren. Zu Hause arbeiten ist für sie zwar nichts Neues, doch auch ihr Alltag sieht momentan oft ganz anders aus. Wir haben nachgefragt und präsentieren unter #Autorenbesuchen regelmäßig neue Antworten aus dem literarischen Homeoffice.

Regina Scheer, 1950 in Berlin geboren, arbeitete als Journalistin und schrieb Reportagen, Essays und Liedtexte. Sie war Mitarbeiterin der Literaturzeitschrift "Temperamente", veröffentlichte Bücher zur deutsch-jüdischen Geschichte und wirkte an Ausstellungen, Filmen und Anthologien mit. Für ihr Romandebüt "Machandel", in dem sie deutsche Geschichte bis zum Ende der DDR aufblättert, erhielt sie 2014 den Mara-Cassens-Preis. In ihrem neuen Roman "Gott wohnt im Wedding" (2019) taucht sie erneut in die deutsche Geschichte ein und lässt Verfolgte und Außenseiter von ihrem Leben erzählen. 

Wie sehen Ihr Alltag und Ihre Arbeit momentan aus?
Ein Zufall ist, dass ich gerade am 1. März ein Aufenthaltsstipendium der Akademie der Künste im Alfred-Döblin-Haus in Wewelsfleth (Schleswig-Holstein) beginnen durfte. Hier kann ich noch bis Ende Mai bleiben und schreiben.  Der Arbeitsaufenthalt wurde  zu einer ungewöhnlichen Quarantäne, in der ich mit zwei jungen Kolleginnen in einem alten Haus lebe. Für mich, da ich lungenkrank bin, ein doppelt glücklicher Umstand. 

Was ist die größte Herausforderung?
Es ist seltsam, die Nachrichten von "draußen" mit der Idylle, die ich aus meinem Fenster sehe und dem, was ich schreibe, nämlich eine  Frauenbiografie vom Anfang des 20. Jahrhunderts, meine inneren Bilder und die gefährdete äußere Welt in Übereinstimmung zu bringen. Ich sehe, wenn ich vom Schreiben aufblicke, eine kleine Kirche von 1503, die hat schon den 30-jährigen Krieg überstanden.

Worauf freuen Sie sich persönlich besonders, wenn die Krise mal vorbei ist?
Mit meinen Enkelkindern zu spielen, meine Freunde zu treffen,  Umarmungen und Nähe. 

Welches Buch lesen Sie gerade?
Hier habe ich in einem Schrank Amos Oz "Allein das Meer" in einer Suhrkamp-Ausgabe von 1999 gefunden. Ich kannte es noch nicht, obwohl ich Amoz Oz sehr verehre.

Welches Buch sollten Buchjournal-Leser*innen jetzt oder später unbedingt lesen?
Vielleicht dieses. Oder ein anderes von Oz. Oder "Schermanns Augen" von Steffen Mensching (Wallstein, 820 S.). Oder den wenig bekannten Debütroman des Liedermachers Stefan Körbel "Wendekreis: oder die Vollendung der deutschen Einheit im Südpazifik" (Edition Schwarzdruck, 560 S.)

Was macht für Sie ein gutes Buch aus?
Es ist mit guten Büchern wie mit manchen Begegnungen: Man trifft sich, spürt Vertrautes und Fremdes, etwas kommt ins Schwingen. Manchmal bleibt etwas Unverlierbares.

Welches Buch würde in Ihrer Bibliothek niemand erwarten?
Ein Kochbuch. Ich habe aber mehrere.

Wie sieht für Sie (in normalen Zeiten!) ein gelungener Tag aus?
Wenn ich mit meiner Arbeit  weiter gekommen bin. Wenn ich eine schöne Begegnung, ein gutes Gespräch hatte, ein bestimmtes Lied gehört habe, wenn ich mich auf den nächsten Tag freuen kann.

Welche geheime (oder weniger geheime…) Leidenschaft haben Sie?
Geheimes ist geheim. Doch Leidenschaft muss bei allem sein, was gelingen soll. 

Eine Eigenschaft, die Sie bewundern?
Mut, verbunden mit Anmut.

Wofür sind Sie dankbar?
Dass ich hier sein darf. Dass ich den Frühling erlebe. Dass ich schreiben kann. Dass die Frauen im "Dörpsloden" nebenan, auch das sehe ich aus einem meiner Fenster, unbeirrt und freundlich den Laden am Laufen halten. Dass die "Landfrauen" Masken genäht haben, die dort für jeden ausliegen. 

Hier lesen Sie ein Interview mit Regina Scheer zu ihrem Roman "Gott wohnt im Wedding".