Klaus Modick, geboren 1951, studierte Germanistik, Geschichte und Pädagogik und ist seit 1984 freier Schriftsteller und Übersetzer. Nach diversen Auslandsaufenthalten und Dozenturen lebt er heute in seiner Geburtsstadt Oldenburg. Modick wurde für seine Werke mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Nicolas-Born-Preis, dem Bettina-von-Arnim-Preis und dem Rheingau Literatur Preis. Zudem war er Stipendiat der Villa Massimo sowie der Villa Aurora. Nach seinem Bestseller „Konzert ohne Dichter“ (2015), der von der Worpsweder Künstlergruppe um 1900 erzählt, erschien 2018 mit „Keyserlings Geheimnis“ ein weiterer Künstlerroman. Zuletzt schrieb Modick für die KiWi Musikbibliothek einen Band über den kanadischen Sänger und Dichter Leonard Cohen.
Wie sehen Ihr Alltag und Ihre Arbeit momentan aus?
Manchmal komme ich mir vor wie in einem Albtraum, manchmal hat die Situation etwas Märchenhaftes, als lebte man in einer stillen Schneekugelwelt, in der die Zeit angehalten wurde. Für meine eigentliche Arbeit, das Schreiben also, ist das zwar durchaus vorteilhaft, weil viele Ablenkungsverführungen jetzt ausfallen. Aber zu meiner Arbeit gehören normalerweise auch Lesungen mit meinem neuen Buch "Leonard Cohen", Veranstaltungen, die nun auch alle ausfallen, was zu einem erheblichen Einkommensverlust führt. Und natürlich fehlen mir Café-, Kino-, Theater- oder Konzertbesuche und besonders der persönliche Kontakt zu meinen Freunden. Ich halte übrigens den Begriff der sozialen Distanz für unzutreffend; es müsste persönliche oder physische Distanz heißen.
Was ist die größte Herausforderung?
Ich empfinde es zunehmend als problematisch, alle verordneten Einschränkungen nachzuvollziehen und klaglos zu akzeptieren. Manchmal fürchte ich, dass wir auf dem Weg in eine Art Gesundheitsdiktatur sind. Wenn, wie Söder sagt, jeder Tote ein Toter zu viel ist, dann müsste auf Autobahnen ab sofort Tempo 100 gelten oder das Autofahren gleich ganz verboten werden.
Worauf freuen Sie sich persönlich besonders, wenn die Krise mal vorbei ist?
Auf ein Wiedersehen mit meinen Töchtern, die in München und Berlin leben, auf eine Mittsommernachtsparty mit Freunden in unserem Garten und hoffentlich noch einen Spätsommer-Urlaub am Meer.
Welches Buch lesen Sie gerade?
Brian Greene, "Until the End of Time", ein Buch, das vom Urknall bis zum Ende des Alls so ziemlich alles berührt, was unsere Realität ausmacht, allerdings auch keine Antwort darauf gibt, wie das Corona-Virus in die Welt kam. Als naturwissenschaftlicher Banause verstehe ich zwar viele Details nicht, aber es ist trotzdem enorm spannend. Zur Entspannung lese ich "Poems" von Maya Angelou.
Welches Buch sollten Buchjournal-Leser*innen jetzt oder später unbedingt lesen?
Alexander Lernet-Holenia, "Der Baron Bagge", eine zu Unrecht fast vergessene, phantastische Novelle, in der Leben und Traum, Wirklichkeit und Halluzination nahtlos ineinander greifen, stilistisch elegant auf höchstem Niveau.
Was macht für Sie ein gutes Buch aus?
Wenn ein Buch, das mich schon vor vielen Jahren begeistert hat, mir auch heute noch etwas sagt, zum Beispiel Stevensons "Schatzinsel", wenn also ein Buch altersunabhängig stabil bleibt.
Welches Buch würde in Ihrer Bibliothek niemand erwarten?
Da gibt es eine ganze Menge, beispielsweise Karl Winkler, "Erbrecht von A bis Z" oder auch Carl Barks, "Onkel Dagobert" (sämtliche Bände!)
Wie sieht für Sie (in normalen Zeiten!) ein gelungener Tag aus?
Ein Morgenspaziergang im Schlossgarten, zwei, wenn’s gut geht auch drei Seiten Text, Mittagessen, halbe Stunde Inspirationsnickerchen, Lektüre im Garten, ein Whisky zum Aperitif, ein Abend mit Freunden.
Welche geheime (oder weniger geheime…) Leidenschaft haben Sie?
Schwere, körperreiche, südfranzösische Rotweine.
Eine Eigenschaft, die Sie bewundern?
Ehrlichkeit im wirklichen Leben – in der Literatur muss man lügen, um wahr zu wirken.
Wofür sind Sie dankbar?
Dass ich nicht werden musste, was man von mir erwartet hat, sondern geworden bin, was ich wollte. Und für ein glückliches Leben mit Menschen, die mich lieben.