Charme der Bourgeoisie
„Das Ende von Eddy“ machte Édouard Louis zum Popstar der französischen Literatur. Mit „Anleitung ein anderer zu werden“ fährt er nun fort, von sich selbst zu erzählen – mitreißend und schonungslos.
„Das Ende von Eddy“ machte Édouard Louis zum Popstar der französischen Literatur. Mit „Anleitung ein anderer zu werden“ fährt er nun fort, von sich selbst zu erzählen – mitreißend und schonungslos.
Anleitung ein anderer zu werden“ setzt dort ein, wo „Das Ende von Eddy“ aufhörte: Die Scham über die elenden Lebensverhältnisse, die Angst vor homophober Gewalt und Ausgrenzung sind überwunden. Édouard Louis hat sich neu erfunden. Er trägt andere Kleider und einen neuen Namen, hat sich die Zähne richten lassen, weiß, wie man Krawatten bindet und Weinetiketten liest. Édouard, Sohn eines Fabrikarbeiters, ist angekommen in der Pariser Intellektuellenszene, hält Vorträge an der Sorbonne. Zu seinen Freunden und Kunden – er finanziert seinen Lebenswandel mit Sex – gehören Künstler, Aristokraten, reiche Industrielle. Wie in den Aufsteigerromanen von Stendhal bis Balzac macht ein skrupelloser Provinzler in Paris sein Glück – ohne glücklich zu werden. Denn getrieben von Scham, Egoismus und Ehrgeiz, verführt vom diskreten Charme der Bourgeoisie, hat Édouard Familie, Klasse, Herkunft, Freunde und zuletzt sich selbst verraten.
Diese „Anleitung“ ist, anders als der „Eddy“-Roman, mehr versöhnliche Wiedergutmachung als Rache. In die Anklagen mischen sich Zweifel und selbstkritische Fragen, Trauer, am Ende fast so etwas wie Heimweh nach unten. Louis’ Beschreibung seiner radikalen Metamorphose ist eine faszinierende Kreuzung aus Bekenntnisliteratur, politischem Pamphlet und kühlem Psychogramm. Und erneut eine mitreißende, aufwühlende Lektüre.
MH
Édouard Louis, geboren 1992, gilt als einer der wichtigsten Autoren der jüngeren Generation. Sein Buch „Das Ende von Eddy“ wurde in 35 Sprachen übersetzt, fürs Theater adaptiert und verfilmt. Louis lebt in Paris.