Die Glückssucher
In ihrem großen Generationenroman erzählt Judith W. Taschler von Familienfehden und starken Frauen, von der Liebe und der Kunst des Vergebens in Zeiten gesellschaftlichen Umbruchs.
In ihrem großen Generationenroman erzählt Judith W. Taschler von Familienfehden und starken Frauen, von der Liebe und der Kunst des Vergebens in Zeiten gesellschaftlichen Umbruchs.
Jeder ist seines Glückes Schmied? Nicht ganz. Zumindest nicht Mitte des 19. Jahrhunderts, als Albert Brugger im oberösterreichischen Mühlviertel zur Welt kommt. Schon früh bezeichnet es der Sohn eines Müllers als „großes Glück, nicht als Frau geboren zu sein“. Eine Frau habe immerhin schon Glück, wenn sie nicht im Kindbett sterbe. In Alberts Welt führt ihr Lebensweg direkt in die Ehe, wo sie sich dem Mann unterzuordnen hat. Sagt auch der Pfarrer. Und hat der nicht immer recht?
Nach ihrem preisgekrönten Bestseller „Die Deutschlehrerin“ und dem jüngsten Roman „Das Geburtstagsfest“ ist Judith W. Taschler erneut eine mitreißende Familiengeschichte gelungen, die man nicht aus der Hand legen mag. Über drei Generationen begleiten wir die Bewohner der Hofmühle Brugger und des Ederhofs, die sich hartnäckig bekriegen, deren Schicksale aber eng verwoben sind. Die Frauen haben in dieser Gemengelage zwar offiziell wenig zu sagen. Unterschwellig jedoch prägen sie im Dorf den Alltag genauso entscheidend wie an den weiteren Hauptschauplätzen Linz und Wien.
Carl verzichtete lieber auf ein wenig überschwängliches Glück zu Beginn, wenn dafür später ein Rest davon übrig bleiben sollte.
Aus: "Über Carl reden wir morgen"
Die fünf Kapitel des Romans sind nach Paaren benannt, die irgendeine Form von Liebe, Begehren oder Eifersucht verbindet. Sie alle suchen ihr Glück – nicht selten mit tragischen Folgen. Zum Beispiel der verwitwete Anton und seine Schwester Rosa, die vom Leben enttäuscht aus Wien zurückkehrt und sich der Erziehung ihrer verwaisten Nichten und Neffen annimmt. Albert, der die wohlbehütet aufgewachsene Anna heiratet, von deren dunklem Geheimnis er nichts ahnt. Oder Emil und Hedwig: Frischvermählt, planen sie eine Zukunft in Übersee, doch das Schicksal ist ihnen nicht wohlgesinnt.
Schließlich verwüstet der Erste Weltkrieg Körper und Seelen der jungen Männer im Kaiserreich. Annas und Alberts Sohn Carl, unfreiwillig eingezogen, muss traumatische Erfahrungen verarbeiten, während sich sein Zwillingsbruder Eugen in Amerika verdingt. Die Nachricht von Carls Tod veranlasst ihn nach 15 Jahren zu einem Heimatbesuch – wo ihm der Bruder überraschend leibhaftig gegenübersteht. Die beiden beginnen ein gewagtes Verwirrspiel, das selbst vor dem Traualtar nicht haltmacht. Sollte es doch möglich sein, dem Glück auf die Sprünge zu helfen?
Susanne Dietrich
Judith W. Taschler, geboren 1970 in Linz, wuchs mit sechs Geschwistern im oberösterreichischen Mühlviertel auf. Sie studierte Germanistik und Geschichte und unterrichtete einige Jahre als Deutschlehrerin. 2011 erschien ihr Erzähldebüt „Sommer wie Winter“. Für ihren Roman „Die Deutschlehrerin“ erhielt sie 2014 den Friedrich-Glauser-Preis. Die Autorin lebt in Innsbruck.