Caroline Herschel hat sich inzwischen als Astronomin einen Namen gemacht. Ihr Bruder Wilhelm, der berühmte Astronom, braucht sie als Assistentin. Und Caroline braucht ihn, um in der Wissenschaft Gehör zu finden. Doch ihre symbiotische Beziehung ist in Gefahr: Wilhelm hat geheiratet …
Die Räume über der Werkstatt wurden zu einer kleinen Wohnung für Caroline ausgebaut. Im November erhielt sie Besuch von einer Gruppe französischer Astronomen, darunter Pierre Méchain, ein Kollege von Messier und ebenfalls Kometenjäger.
Die zwei Tage seiner Anwesenheit waren für Caroline ein Lichtblick in dunklen Monaten. Nach Kometen zu suchen war etwas, was sie auch weiterhin allein würde tun können, dafür brauchte sie weder einen Bruder noch das größte Teleskop der Welt.
Im Februar schrieb Alexander, Margaret sei einer Krankheit erlegen. Nach der Beerdigung reiste er nach Slough und saß mit Caroline in dem kalten Dachgeschoss, das bald ihr Heim sein sollte, über einer Tasse Tee. Worte waren überflüssig, die Geschwister verstanden einander in ihrer Einsamkeit.
Caroline assistierte Wilhelm weiterhin bei seinen Beobachtungen. Bald würden sie die Positionen von zweitausend Nebeln kennen. Gewissenhaft wie eh und je notierte Caroline alle Vorkommnisse in ihrem Tagebuch, aber über Mary und die Hochzeitsvorbereitungen verlor sie keine Silbe. Das Ereignis des achten Mai formulierte sie lapidar. Sie habe viel zu tun gehabt, um Wilhelms Haushalt ordentlich zu hinterlassen, denn um den werde sie sich ab heute nicht mehr kümmern.
Die zwei Zimmer ihres neuen Zuhauses hatten ungeschliffene Bodenbretter wie ein Heuschober. Im Haupthaus bereiteten eine Köchin und ein Mädchen unter der Woche Mahlzeiten zu, die Caroline manchmal mit den Arbeitern einnahm. Ihre Zimmer putzte sie selbst, aber das bedeutete auch, niemals mehr etwas suchen zu müssen, das jemand anders verräumt hatte.
Wenn ich ein Buch aufgeschlagen liegen lasse, verblättert es niemand beim Staubwischen.
Doch das Beste aus allem zu machen, ohne zu klagen, raubte Caroline Kraft. Der letzte Tagebucheintrag hatte sie Stunden gekostet. Während der Trauungszeremonie in der Kirche hatte sie mitleidige Blicke auf sich gespürt, und bei dem Lied, das sie auf das glückliche Paar anstimmen sollte, wäre sie an dem Kloß in ihrem Hals beinahe erstickt. Später musste sie einen Toast aussprechen und dazu lächeln. All diese Heuchelei! So konnte sie nicht leben. Sie klappte das Tagebuch zu und legte es zu den bereits vollgeschriebenen. Mit dem heutigen Tag begann für Caroline ein neues Kapitel in ihrem Leben, und das erforderte ein neues Buch. Sie nahm eines von dem Stapel, den sie immer vorrätig hatte, schlug es auf und zögerte. Die Seiten waren so hell. Passten ihre Gedanken darauf?
Caroline zog das Kleid aus, das sie bei der Trauung getragen hatte, und setzte sich in Arbeitssachen an den einzigen Tisch. Im letzten Licht des Tages begann sie zu schreiben. Sie leerte alles Angestaute auf das Papier, schimpfte über Mary, klagte über Wilhelms Verrat und verwünschte die eigene Gutgläubigkeit, denn, wenn sie es sich genau überlegte, hatte ihr Bruder ihr nie etwas versprochen. Als sie geendet hatte, klappte sie das Buch zu, ohne das Trocknen der Tinte abzuwarten. Sie fühlte sich erleichtert. Das neue Tagebuch legte sie in ein Ledersäckchen. Sorgfältig versteckte sie es im Holzschuppen unter Brettern und Erde.