An einem Sommertag vertreiben sich die elfjährige Aljona und ihre drei Jahre jüngere Schwester Sofija die Zeit am Strand von Petropawlowsk, der Hauptstadt von Kamtschatka. Ein fremder Mann bittet die beiden um Hilfe und lockt sie anschließend in sein Auto. Die Mädchen verschwinden spurlos. So mysteriös und aufwühlend beginnt Julia Phillips’ Roman „Das Verschwinden der Erde“.
Doch was, so fragen sich die Leute in Kamtschatka, ist geschehen? Eine Zeugin glaubt, einen Mann in einem gepflegten Auto gesehen zu haben; doch eine Suchaktion bleibt erfolglos. Werden die Kinder irgendwo festgehalten oder sind ihre Leichen längst unauffindbar vergraben? Sind sie am Ende doch beim Spielen im Meer ertrunken? Und hat der Fall vielleicht etwas mit Lilja zu tun, dem Mädchen, das seit drei Jahren vermisst wird?
Freundschaften und tiefe Konflikte
Das Leben in der dünn besiedelten Region geht weiter, doch die Ungewissheit über das Schicksal der Kinder liegt wie ein dunkler Schatten über den Menschen im wilden Osten Russlands. In jedem Kapitel des Romans stehen andere Personen im Mittelpunkt, doch stets sind es Frauen, aus deren Perspektive erzählt wird. So erscheint nicht nur das rätselhafte Verschwinden immer wieder in einem anderen Licht, es entsteht auch ein Bild der ethnischen und kulturellen Konflikte in Kamtschatka zwischen „weißen“ Russen und der indigenen Bevölkerung. Es geht um Gewalt und Vorurteile, um Außenseiter und um kleine und große Tragödien. Der Roman erzählt aber auch von Liebe, Freundschaften und dem Zusammenhalt in einer Welt, die von der sowjetischen Vergangenheit ebenso geprägt ist wie von spektakulärer Natur und Landschaft.