Ein Leben mittendrin
Sarah Biasini, die Tochter der unvergessenen Romy Schneider, erzählt in einem zarten und liebevollen Text von ihrer leidgeprüften Familie, von einem Leben im Schatten des Todes – und vom Glück ihrer späten Mutterschaft.
Sarah Biasini, die Tochter der unvergessenen Romy Schneider, erzählt in einem zarten und liebevollen Text von ihrer leidgeprüften Familie, von einem Leben im Schatten des Todes – und vom Glück ihrer späten Mutterschaft.
Als Sarah Biasini ihre neugeborene Tochter Anna im Arm hält, kann sie es kaum fassen, denn mit 40 Jahren hatte sie die Hoffnung, Mutter zu werden, beinahe aufgegeben. Mit Annas Ankunft kommen freilich auch Erinnerungen an ihre eigene Mutter hoch: an die berühmte Romy Schneider, die 1982 starb und eine klaffende Lücke in Sarahs Leben hinterließ. Und so wendet sich Sarah Biasini in ihrem Text an ihre eigene Tochter und erzählt ihr von der Vergangenheit: Sie erinnert sich an die Frauen, die ihr die Mutter ersetzten, wie die quirlige Monique Biasini, ihre Großmutter, oder das geliebte Kindermädchen Nadou. Sie erzählt von ihrem Vater Daniel, der in ihr die Liebe zur Kunst weckte, und von stürmischen Zeiten in ihrer Beziehung zu Gilles, Annas Vater. Und sie spürt ihrer Mutter nach – jener Mutter, die sie noch heute mit Hunderttausenden Menschen teilen muss: „Ich, ihr eigenes Fleisch und Blut, habe ihre Bekanntheit schon vor Ewigkeiten verinnerlicht, aber ich möchte immer noch, dass sie mir allein gehört.“
Wenn ich hier den Namen meiner Mutter schreiben würde, hätte ich das Gefühl, über eine andere zu sprechen, über eine Fremde.
aus: "Die Schönheit des Himmels"
Sarah Biasinis Buch ist weit mehr als eine Biografie. Die biografischen Details sind so etwas wie der Unterbau eines klugen und feinsinnigen Textes, der sich mit der Frage befasst, was der frühe Tod der Mutter im Leben eines Kindes auslöst und was er für die eigene Mutterschaft bedeutet. Offen und unverstellt beschreibt Biasini ihre Ängste – die Angst vor dem Tod ihres Kindes und die Angst, selbst zu sterben und Anna zurückzulassen. Sie umkreist die Lücke in ihrem Leben, spürt den spärlichen Erinnerungen an ihre frühe Kindheit nach, lotet Hohlräume aus, die sie weder füllen kann noch will: „Wenn der Tod einen daran hindert, jemanden kennenzulernen, sucht man deshalb noch lange nicht nach dem, was man nicht weiß. Man lässt die Stelle leer.“#
Es ist der ausdrucksstarke und nachdenkliche Text einer Tochter, die nun selbst Mutter ist, einer Frau, in deren Leben der Tod eine Bresche geschlagen hat. Ein Text, der berührt und bezaubert, ein Dokument der Liebe, zart, empfindsam und voller Poesie. Sarah Biasini hat den Verlust ihrer Mutter auf einzigartige Weise literarisch verarbeitet – jener Mutter, die sie nun in ihrer Tochter wiederfindet: „Ein vor achtunddreißig Jahren unterbrochenes Leben, ein anderes, das heute beginnt. Mittendrin bin ich. Mittendrin bleibe ich.“
Irene Binal
Sarah Biasini, geboren 1977, ist die Tochter von Romy Schneider und Daniel Biasini. Nach dem Tod ihrer Mutter wuchs sie bei ihrem Vater in Frankreich auf. Sie studierte Kunstgeschichte in Paris und Schauspiel in Los Angeles und spielte in mehreren Theaterproduktionen und Filmen. Sarah Biasini ist mit dem Regisseur Gil(les) Lefeuvre verheiratet. 2018 kam ihre Tochter Anna auf die Welt.