Nach Volker Kutschers Krimi „Der nasse Fisch“ haben Sie jetzt „Der Untertan“ illustriert. Was interessiert Sie an der damaligen Zeit?
Nun, im Gegensatz zum „Nassen Fisch“, der ja spät in der Weimarer Republik angesiedelt ist, entführt uns Heinrich Manns Roman in die fast naiv wirkende wilhelminische „Belle Époque“. Damals wurde das Militärische extrem glorifiziert, es war die Zeit der Stehkragen und Korsetts, der Säbel und Pickelhauben. Ich finde es faszinierend, wie sich in der Figur des Diederich Heßling die Hybris des deutschen Nationalstolzes ungeniert abzeichnet und die Katastrophe, in die das münden könnte, schon erahnen lässt.
Hatten Sie beim Lesen schon Szenen im Kopf, die Sie zeichnen wollten?
Ja, selbstverständlich. Viel zu viele. Der Roman ist ja „Kino im Kopf“. Es ist offensichtlich, welche Momente man darstellen möchte, es gibt ja tolle Schlüsselszenen! Ich hatte mir vorgenommen, die bekannte Verfilmung aus dem Jahr 1951 extra nicht zu schauen, um meine eigenen Bilder zu finden. Ich wollte „meinen“ Diederich zeichnen, „meine“ Guste. Das hat sich als großer Vorteil herausgestellt, da ich wirklich ganz andere Bilder erzeugen konnte, die sich dem Vergleich mit dem Film ganz entziehen. Mir war bei der Auswahl immer wichtig, dass meine Bilder eine Szene nicht nur „abbilden“, sondern mehrere Dimensionen vermitteln, Gefühle der Figuren und einen Eindruck der Epoche.
Warum ist „Der Untertan“ ein Klassiker für die Gegenwart?
Der Roman zeigt alles in extremer satirischer Überzeichnung, wie durch ein Mikroskop. Ich frage mich ständig: Wie würden solche Typen heute aussehen? Während ich den Roman erneut las, sah man wieder viele Reichskriegsflaggen in Berlin, und ich dachte: Da sind sie wieder, die Diederichs.
DS