Rachilde: MONSIEUR VÉNUS

Liebe ohne Konventionen

8. Oktober 2020

Eine Frau, die sich als Mann gibt, und ein Mann, der ihre Geliebte wird: Der Roman der Französin Rachilde ist ein ebenso kluges wie hinreißendes Spiel mit Geschlechteridentitäten.

In Belgien erschien 1884 ein Buch, das einen Skandal auslöste: Rachilde, so das Pseudonym der Autorin, erzählte darin von der Adeligen Raoule de Vénérande, die sich in den Blumenmacher Jacques Silvert verliebt und die Geschlechterordnung auf den Kopf stellt. Nun liegt „Monsieur Vénus“ erstmals auf Deutsch vor und Rachildes Roman gewährt nicht nur Einblicke in eine versunkene Gesellschaft, sondern auch in die Erotik einer Frau, die sich weigert, Geschlechtergrenzen zu akzeptieren. 
Raoule macht Jacques mit den roten Lippen und dem „ebenmäßigen, kindhaften Fleisch“ zu ihrer Geliebten, später sogar zu ihrer Ehefrau. Und während ­Jacques und Raoule sich im Gedanken der Aufhebung des Geschlechts finden, wird Raoules Verehrer Baron de Raittolbe der Geliebte von Jacques’ Schwester Marie, einer Prostituierten. Als jedoch Jacques sich mit de Raittolbe einlässt, nimmt das Unheil seinen Lauf …

Rachilde, geboren als Marguerite Eymery, setzte sich in all ihren Romanen mit Transsexualität und Emanzipation auseinander. „Monsieur Vénus“ glänzt mit ­einer von feiner Erotik durchwobenen Prosa, in der die Grenzen zwischen Mann und Frau aufgelöst und gesellschaftliche Normen hinterfragt werden, einer Prosa, die heute nicht weniger aktuell ist als zu ihrer Entstehungszeit. Damals brachte der Roman seiner Autorin eine Geld- und Haftstrafe ein – heute würde Rachilde von der Literaturkritik wohl hymnisch gefeiert.  BIN

Rachilde
Monsieur Vénus

Übersetzt von Alexandra Beilharz und Anne Maya Schneider. 
Reclam,
218 S., 18,– €, 
ISBN 978-3-15-011287-8

Über die Autorin

„Rachilde. Homme de Lettres“ stand auf der Visitenkarte von Marguerite Eymery (1860 – 1953), die mit 15 den Namen ­Rachilde annahm. Sie kleidete sich als Mann und ­verfasste ­­Romane, in denen sie sich ­e­xplizit mit Themen wie ­­Homo- und ­Transsexualität ­auseinandersetzte.