Und so wirft Elke Heidenreich Schlaglicht um Schlaglicht auf ihr Leben – und weist gleichzeitig darauf hin: Nicht alles, was hier steht, ist auch so passiert. Stattdessen vermischen sich Realität und Fantasie, Anekdoten, Beobachtungen, Erzähltes und Erlebtes.
Auch Heidenreichs Mutter und ihr Vater tauchen auf – wenn sie es denn wirklich sind: der schöne, leichtsinnige Vater, der früh aus ihrem Leben verschwand, dem Kamelhaarmäntel vortrefflich standen und der die Frauen zu sehr liebte; die Mutter, die das gleiche Haar hatte wie ihre Tochter, fest davon überzeugt, dass ebendieses Haar ihr das ganze Leben versaut hatte.
Die Mutter umarmte wenig, und Tochter Elke schlüpfte, wenn jene nicht zu Hause war, zu gern in deren Kleidung. Gemeinsam mit der Freundin betrachtete sie furchtsam die großen BHs der Mutter in der Wäscheschublade. Kaum selbst erwachsen, im Alter von 16 bis 20 etwa, trug sie dann nur noch Schwarz. Als Existenzialistin las sie Sartre und Camus, hatte mit dem Leben zu kämpfen. Richtig gut, sagt Elke Heidenreich, sei das Leben erst ab 40 geworden. Da war der Weg klar, Wunden waren geheilt. Heute schaut sie liebevoll auf die damals 16-Jährige zurück, die noch nicht verstand, dass es im Leben vor allem um eines geht – ums Loslassen.
Gespür fürs Komische und Tragische
Ihr Bücherleben habe sie gelebt, sagt sie, und dabei aus dem Vollen geschöpft. Ihr Blick zurück ist dankbar. Dass ihre Lesungen derzeit coronabedingt häufig ausfallen, findet sie zwar traurig. Doch gleichzeitig zehrt sie von der Fülle des Erlebten und bedauert viel mehr die jungen Kolleginnen und Kollegen, die ihr erstes Buch geschrieben und kein Publikum haben.
In ihrem Leben war Elke Heidenreich vieles: Autorin, Moderatorin, Literaturkritikerin und -vermittlerin, Journalistin und Comedian. Ihr Gespür für alles Komische und Tragische ist in ihrem neuen Buch fast durchgehend spürbar: etwa, als sie schildert, wie sie mit ihrem Freund Carlo zu einem rauschenden Medienfest fahren wollte, bei dem er einen Preis entgegennehmen sollte. Sie überredete ihn vor der Abfahrt zum Kauf eines neuen Anzugs, der vor Ort auf der Herrentoilette auch brav angezogen wurde. „Hast du sie noch alle? Ich sitze so nicht neben dir!“ war ihre Reaktion, als Freund Carlo aus der Toilette kam. Der Anzug war lila; von seiner Farbenblindheit hatte sie nichts gewusst.
Es ist ihr feiner Blick fürs Besondere, ihr mal zarter, mal derb-rabiater Ton, der Heidenreichs Texte so lebendig macht. „Männer in Kamelhaarmänteln“ steht seit Erscheinen auf den ersten Plätzen der Bestsellerlisten – zu Recht.
Text: Christiane Petersen