Schlaflos in Bergen
Vier Schwestern und ein Geheimnis aus der Vergangenheit: Auch Band zwei der „Sommerschwestern“-Reihe von Monika Peetz überzeugt mit starken Charakteren, einer austarierten Handlung und viel Spannung.
Vier Schwestern und ein Geheimnis aus der Vergangenheit: Auch Band zwei der „Sommerschwestern“-Reihe von Monika Peetz überzeugt mit starken Charakteren, einer austarierten Handlung und viel Spannung.
Helen möchte nur schlafen – aber seit dem Familientreffen in Bergen vor zwölf Monaten leidet sie unter Schlaflosigkeit: „Manchmal war sie die ganze Nacht nur damit beschäftigt, nachzurechnen, wie viel Zeit ihr blieb, bis der Wecker sie unnachgiebig aus dem Bett jagte. Und das natürlich immer in dem Moment, in dem sie endlich eingenickt war.“ Als sie bei der Arbeit zusammenklappt, wird ihr klar, dass es so nicht weitergehen kann. Sie weiß auch, wo die Ursache für ihre Probleme liegt: in ihrer familiären Vergangenheit, wo der rätselhafte Unfalltod des Vaters eine Narbe auf ihrer Seele hinterlassen hat. Um endlich Klarheit zu erlangen, lädt sie ihre drei Schwestern nach Bergen ein, in die Villa Vlinder, in der die Familie vor 20 Jahren die Ferien verbracht hatte und von wo der Vater zu seiner letzten Fahrt aufgebrochen war. Aber wohin war er damals unterwegs? Und warum verließ er in einer stürmischen Nacht bei Starkregen überhaupt das Haus? Als Helen diesen Fragen nachzuspüren beginnt, riskiert sie nicht nur den familiären Frieden: Auch im Dorf scheint jemand ihre Recherchen verhindern zu wollen …
Wie schon in Band eins der „Sommerschwestern“-Reihe entwirft Monika Peetz ein spannendes Szenario an der niederländischen Nordseeküste – einer Gegend, die ihr vertraut ist. „Wir haben seit über 20 Jahren ein Wochenendhaus in der Gemeinde Bergen“, sagt sie. „Die Landschaft dort ist magisch, selbst an einem trüben Tag sind das Meer und die Dünen wunderschön. Es ist für mich eine Herzenslandschaft.“ Vor diesem Hintergrund entfaltet sich die Geschichte der vier Schwestern. Da ist Doro, die exaltierte Kostümbildnerin, deren Karriere nicht ganz reibungslos verläuft. Da ist Yella, für die die Familie an erster Stelle steht. Da ist die Jüngste, Amelie, die in der Beziehung zu einer niederländischen Taxifahrerin Ruhe gefunden zu haben scheint. Und da ist Helen, die Wissenschaftlerin, die Probleme analytisch lösen will, aber erkennen muss, dass das nicht immer möglich ist. So außergewöhnlich wie die vier Schwestern ist auch ihre Mutter Henriette, die kaum dem klassischen Mutterbild entspricht und immer wieder für Chaos sorgt. „Ich habe ungeheuer viel Freude an all diesen Figuren mit ihren Eigenheiten“, meint Monika Peetz. „Die exzentrische Doro zu schreiben macht unfassbar viel Spaß, genauso wie Henriette zu schreiben unfassbar viel Spaß macht.“
Diesen Spaß merkt man den Romanen an: In einer klaren, schwungvollen Prosa erzählen sie von der Spurensuche der Schwestern in der Vergangenheit, von den unterschiedlichen Erinnerungen jeder einzelnen, von Auseinandersetzungen und Versöhnungen, vom Aufeinanderprallen verschiedener Weltsichten und von der Notwendigkeit, einander immer wieder neu zu entdecken. Die Beschäftigung mit der Vergangenheit, mit Erinnerungen, fasziniert Peetz, denn auch in ihrer eigenen Familie ist einiges ungeklärt: „Meine Mutter hatte Geheimnisse, die sie bis zuletzt mit niemandem geteilt hat“, erzählt sie. „Ich habe es auf meiner To-do-Liste, dem nachzuspüren.“ Und sie fügt mit einem herzlichen Lachen hinzu: „Ich bin Autorin, ich bin neugierig! Und ich habe ein wahnsinniges Vergnügen an solchen Geschichten.“
In ihren „Sommerschwestern“-Romanen lässt Peetz diesem Vergnügen freien Lauf. Mit psychologischem Feingefühl schildert sie die komplizierten Strukturen familiärer Beziehungen und entwickelt darüber hinaus einen hoch spannenden Plot. Sorgfältig feilt sie am Setting, an ihren Figuren, den Handlungsschwerpunkten, den peppigen Dialogen, die ihr besonders viel Freude machen: „Den alltäglichen Familienwahnsinn zu beschreiben ist mir ein großes Vergnügen. Wenn Situationen aus dem Ruder laufen, obwohl alle das Beste wollen. Alle bemühen sich unglaublich und trotzdem geht es wahnsinnig schief, so etwas macht viel Spaß.“ Und so schimmert bei aller Spannung viel Humor durch die Zeilen, ein feiner, augenzwinkernder Humor, in dem sich die Lebenseinstellung der Autorin spiegelt: „Ich versuche immer, jeder Lage etwas Komisches abzugewinnen. Ich möchte ein Stück Leichtigkeit vermitteln, auch wenn es um Situationen geht, die gar nicht leicht sind.“ Dieses Ziel hat sie in den ersten beiden Bänden der „Sommerschwestern“-Reihe aufs Allerschönste umgesetzt. Auf den dritten Band, der im März 2024 erscheint, darf man sich daher schon jetzt freuen.
Irene Binal