Schwarzfüße zwischen Tunis, Paris und Berlin
In ihrem fulminanten Romandebüt erzählt Elsa Koester von drei Frauen auf der Suche nach der verlorenen Heimat und von ihrer Herkunft aus einer Familie von „Pieds-noirs“
In ihrem fulminanten Romandebüt erzählt Elsa Koester von drei Frauen auf der Suche nach der verlorenen Heimat und von ihrer Herkunft aus einer Familie von „Pieds-noirs“
Dieser Couscous mit Zimt ist keine süßliche Nachspeise, sondern ein hinreißendes Hauptgericht: ein turbulenter Familienroman (fast ohne Männer) über drei Frauen auf der Suche nach ihrer verlorenen Heimat. Drei starke Frauen, drei Länder – und drei Generationen. Lucile Bellanger zieht in Tunis unter Krisen und Konflikten zwei Söhne und zwei Töchter auf, obwohl sie Gott nie um Kinder gebeten hat, wie sie sagt. Nach der Unabhängigkeit musste „Mamie“ Tunesien überstürzt verlassen; die Pariser Wohnung in der Avenue de Flandre wird zur Grabkammer ihrer Träume und Erinnerungen. Noch als 100-Jährige lebt sie darin, hauptsächlich von Zigaretten, Cognac und Büchern. Marie hingegen, Luciles Tochter, war seit dem Pariser Mai ’68 immer die „Herrscherin der Gegenwart“, egoistisch, kränklich, unruhig, aber auch ständig kämpferisch-unversöhnt auf der Suche nach ihrer diversen Identität: „Fische haben empfindliche Füße.“ Erst ihre Tochter Lisa, die in Berlin geboren ist, wird ihren Frieden finden – oder vielmehr machen.
In Berlin lebt auch die Autorin, die selbst aus einer „Pieds-noirs“-Familie stammt – „Schwarzfüße“, so wurden die französischen Siedler in Nordafrika genannt. Elsa Koesters Debütroman erzählt aus drei Perspektiven von Liebe und Hass, Gewalt und Zärtlichkeit, vom Geschmack der Kindheit und den Gerüchen der Stadt Tunis. Die Zeiten vermischen sich, die Toten werden wieder lebendig, und jede Frau hat ihre eigene Stimme: Lucile, die Grande Dame, die ihre Heimat verlassen musste, erzählt mit Zynismus und vielen „mon dieu“ und „oh là là“, ihre Tochter mit der Wut und politischen Wachheit der 68erin, ihre Enkelin mit der Sehnsucht der Nachgeborenen. – Lucile lässt in ihrer Wohnung jeden Tag ein Buch fallen, um den Nachbarn wissen zu lassen, dass sie noch lebt. Koesters Roman muss man nicht fallen lassen, damit er nachhallt.
Schreiben ist für diese Autorin „ein Fluss durch Kopf, Welt und Finger in die Welt hinaus“ und so ist auch ihr erster Roman: ein deutsch-französisch-arabischer Erzählstrom voll sinnlichem Ungestüm, Klugheit und Wärme.
Tilman Rather
Elsa Koester, geboren 1984 in Berlin, ist die Tochter einer französischen „Pied-noir“ mit tunesischer Kolonialgeschichte und eines norddeutschen Friesen mit US-amerikanischer Auswanderungsgeschichte. Sie arbeitet als politische Redakteurin bei einer Berliner Wochenzeitung. „Couscous mit Zimt“ ist ihr erster Roman. Elsa Koester lebt in Berlin.