Die tiefe Wunde ist bei diesem Buch deutlich wahrnehmbar – und ebenso Traurigkeit, Verärgerung, auch Wut über das gebrochene Versprechen. Das lautet: Wenn Menschen mit Migrationshintergründen sich nur richtig Mühe geben, Deutsch sprechen und sich integrieren wollen, können sie hier leben wie alle anderen Deutschen auch. Tatsächlich aber müssen Menschen mit dunkler Haut, fremdländisch klingenden Namen und muslimischen Wurzeln sich dauernd erklären, stehen unter Beobachtung sowie unter dem Generalverdacht, einen politischen Islam zu unterstützen und Frauen unter die Burka zwingen zu wollen.
So lautet das enttäuschte Fazit des Politikwissenschaftlers und Lyrikers Ozan Zakariya Keskinkılıç. Doch bei dieser bitteren Erkenntnis bleibt er nicht stehen, setzt vielmehr darauf, dass Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen einander zuhören und sich auf die jeweils anderen einlassen. Brückenbauer sieht er in der Kunst und der Literatur, findet starke Verbündete in der Gegenwart, verweist aber ebenso auf Goethe, der sich mit seinem „West-östlichen Divan“ vor arabischer Dichtung und Kultur verneige.
Keskinkılıç will irritieren und Grenzen verwischen, dem Begehren nach Reinheit und Homogenität der Sprachen, Kulturen und Identitäten eine Absage erteilen – er will das Leben in seiner Komplexität erfassen. Und er macht seinen Leserinnen und Lesern Lust darauf, mit dieser Offenheit das eigene Leben zu bereichern.
SC