ine junge Frau gerät in die Mühlen eines gnadenlosen Regimes: Ihre Kinder werden verschleppt, sie selbst wird von einem Lager ins andere deportiert, den Tod ständig vor Augen und ohne zu wissen, ob sie ihre Familie wiedersehen wird. Was wie ein Abenteuerroman klingt, ist die wahre Geschichte der deutschen Diplomatentochter Fey von Hassell – detailgenau und spannend erzählt von der britischen Autorin Catherine Bailey.
1940 heiratet Fey von Hassell den italienischen Adeligen und Widerstandskämpfer Detalmo Pirzio-Biroli, lebt mit ihren Söhnen Corrado und Roberto in einem Palazzo bei Udine. Als Feys Vater, der Diplomat Ulrich von Hassell, nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 als Verschwörer hingerichtet wird, fällt Fey unter das Prinzip der Sippenhaft: Die SS holt sie und ihre Söhne ab, Corrado und Roberto kommen in ein Heim. Für Fey und andere Angehörige von Widerständlern beginnt eine finstere Odyssee durch das zusammenbrechende Deutschland: von Niederschlesien über die KZs Stutthof, Buchenwald und Dachau bis nach Südtirol. Fey überlebt und will nach ihrer Befreiung ihre Kinder finden, aber im Chaos nach Kriegsende erscheint dies hoffnungslos.
Packendes Geschichtspanorama
Autorin Catherine Bailey hat sich einen Namen als Dokumentarfilmerin gemacht; dieses ästhetische Können spiegelt sich auch in ihrer Prosa: Mit dramaturgischem Feingefühl erzählt sie von Feys Versuchen, ihr Landgut und ihre Arbeiter zu schützen, von unvorstellbaren Gräueln in den KZs, von Feys Liebe zu Alexander von Stauffenberg, für den sie fast ihre Familie aufgegeben hätte – und davon, dass sie ihre Kinder schließlich wiederfindet. Die Geschichte des 20. Jahrhunderts fasziniert Catherine Bailey, und seit sie ihre Karriere als Filmproduzentin zugunsten der Schriftstellerei zurückstellte, liefert sie einen Bestseller nach dem anderen ab.
In ihrem neuen Buch beweist Bailey einmal mehr ihr Talent, am Beispiel eines Schicksals ein großes geschichtliches Panorama zu entwerfen. Sie nimmt uns mit in überfüllte Transportwaggons, in KZ-Baracken und in die Wirrnisse des untergehenden „Dritten Reichs“, berichtet vom NS-Widerstand und kommt ihrer Protagonistin gleichzeitig ganz nahe.
Irene Binal