Verantwortung übernehmen
Etwa 64 000 Menschen sitzen derzeit in deutschen Gefängnissen ein. Doch ist der Freiheitsentzug tatsächlich immer die sinnvollste Form der Strafe? Der Jurist Thomas Galli sieht das kritisch.
Etwa 64 000 Menschen sitzen derzeit in deutschen Gefängnissen ein. Doch ist der Freiheitsentzug tatsächlich immer die sinnvollste Form der Strafe? Der Jurist Thomas Galli sieht das kritisch.
Eine Welt ohne Gefängnisse? Unvorstellbar, schließlich gilt die Haftstrafe seit Jahrhunderten als bewährte Form, um Verbrecher zu maßregeln. Dort, fernab des normalen Alltags, sollen die Verurteilten ihre Tat büßen und bereuen und sich so weit resozialisieren, dass sie anschließend als „bessere“ Menschen ihren Platz in der Gesellschaft finden. So zumindest die Theorie. Die Praxis sieht ganz anders aus.
Der Jurist Thomas Galli, der selbst zwei Gefängnisse geleitet hat, zweifelt bei den meisten Fällen am Sinn einer Haftstrafe: Die Rückfallquoten sind hoch, und weder übernehmen die Täter Verantwortung für ihre Taten, noch leisten sie gar Wiedergutmachung. Sieht man von der Verwahrung hochgefährlicher Straftäter ab, nützen Gefängnisse niemandem.
Darum muss man, wie Galli es tut, über alternative, zweckmäßigere Formen von Strafe und Resozialisierung nachdenken, die auch Perspektiven und Wünsche der Opfer berücksichtigen. Galli gewährt anhand von Beispielen ausführlich Einblick in den Strafvollzug und widerlegt mit starken Argumenten die üblichen Begründungen für Haftstrafen. Um wirklich Gerechtigkeit, vielleicht gar Versöhnung zu schaffen, ist aus seiner Sicht eine radikale Veränderung des Strafrechts nötig. Konkrete Vorschläge, wie die Strafen der Zukunft aussehen könnten, runden diese spannende, gut zu lesende Auseinandersetzung mit einem brisanten Thema ab.
Sabine Rock
Thomas Galli studierte Rechtswissenschaften, Kriminologie und Psychologie und war viele Jahre im Strafvollzug tätig, zuletzt als Gefängnisleiter. Der Autor mehrerer Sachbücher betreibt seit 2016 als Rechtsanwalt eine eigene Sozietät.