Sie sprechen über ein Bewusstsein von Bäumen – darüber, dass sie Entscheidungen treffen, lernen oder sich auch irren. Wie kommen Sie darauf, und warum ist das für Sie wichtig?
Peter Wohlleben: Es ist mir wichtig, weil es dem aktuellen Stand der Forschung entspricht – und so beschreibe ich, wie manche Pflanzen Familienmitglieder sogar optisch erkennen und Rücksicht auf sie nehmen, indem sie ihre Blätter von ihnen wegrichten, damit alle genug Sonnenlicht bekommen. Oder die Kastanie bei uns an der Waldakademie, die im Dürresommer 2020 offenbar auf die falsche Strategie gesetzt und zu früh alle Blätter abgeworfen hatte.
Den langen Atem der Bäume streichen Sie im Titel Ihres neuen Buchs heraus – was meinen Sie damit? Es ist ein hoffnungsvoller Titel, der besagt, dass Bäume überleben werden, weil sie sich als Gemeinschaft gut gegenseitig unterstützen können. Selbst tausendjährige Eichen in Deutschland erholen sich zum Beispiel mitten in den Dürresommern, die wir zuletzt erlebt haben, weil sie offenbar lernen, sich dem veränderten Klima anzupassen.
Was können wir Menschen für Bäume und Wälder tun? Wir können vor allem eines tun: die Bäume in Ruhe machen lassen! Während die Forstwirtschaft immer neue „Superbäume“ einführt und dabei starr am Plantagensystem festhält, zeigt sich mehr und mehr, dass Wälder ganz allein zurechtkommen. Dabei kühlen gerade ältere Laubwälder die Landschaft im Sommer um bis zu zehn Grad herunter und erzeugen sogar mehr Regen, wenn wir sie nicht mit der Motorsäge stören.
Wie groß ist Ihre Hoffnung: für die Bäume, für die Artenvielfalt – und damit auch für den Menschen? Ich habe viel Hoffnung und bin sehr optimistisch. Wälder können viele klimatische Wunden heilen, allerdings nur dann, wenn wir endlich unseren Ressourcenverbrauch deutlich reduzieren. Wenn selbst das Bundesverfassungsgericht der Regierung die Leviten liest, ist klar, dass daran kein Weg vorbeiführt.
Was wollen Sie mit Ihrem neuen Buch erreichen? Ich möchte Verständnis wecken für die Bäume, die gerade lernen, mit dem von uns veränderten Klima klarzukommen. Anstatt Wälder „umzubauen“, sollten wir auf die Kräfte von Buchen und Eichen und ihren vielfach unverstandenen Lebensgemeinschaften, den Wäldern, vertrauen. Dazu kläre ich auf, wie die Forstindustrie momentan diese Prozesse behindert. Aber auch, wie wir gemeinsam, das heißt Menschen und Bäume, eine lebenswerte Zukunft gestalten können.
Sabine Schmidt