BELLETRISTIK

Reise in die Vergangenheit

27. März 2023

Ein Interview mit Anne Prettin über ihren neuen Roman und darüber, was sie als Arzttochter mit ihrer Heldin Olga gemeinsam hat.

Anne Prettin ist eine Hamburger Autorin und schreibt Reden für Auftraggeber aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft. Sie lebte in Neuseeland, als ihr Erstling „Die vier Gezeiten“ entstand. Für ihren neuen Roman hat sie sich von der Geschichte ihrer eigenen Familie inspirieren lassen.

Anne Prettin
Der Ruf des Eisvogels

Lübbe, 464 S., 22,– €,
ISBN 978-3-7857-2813-0

Wie würden Sie Ihren Roman in wenigen Sätzen skizzieren?
Er erzählt die Geschichte von Olga, die in einer beschaulichen Kleinstadt inmitten von Wäldern und Seen in einer Arztfamilie aufwächst. Mutterlos, kaum beachtet von ihrem Vater, dafür umso mehr von ihrem Großvater, der sie an die Natur und Medizin heranführt. Als sich die Folgen des Zweiten Weltkriegs auch in der vermeintlichen Idylle nicht mehr ausblenden lassen, ist Olga gezwungen, sich zu entscheiden: Will sie tatenlos zusehen oder etwas tun und damit alles riskieren? Sie muss schließlich fliehen und findet erst inmitten des tiefen gesellschaftlichen Wandels im Nachkriegsdeutschland zu sich selbst.

Nach 50 Jahren reist Olga mit Tochter und Enkelin in die alte Heimat. Die drei sind sehr verschieden, aber jeweils auf ihre Weise stark und kämpferisch …
Jede Generation hat ihre eigenen Sorgen, Krisen, Beschränkungen und Aufgaben. Aber die Liebe gibt den dreien Kraft, für das Richtige zu kämpfen.

Gab es etwas in Ihrer Familiengeschichte, das Sie zu diesem Roman inspiriert hat?
Ja, die schriftlichen Erinnerungen meines Urgroßvaters, der Landarzt in Pommern war. Eine seiner Töchter hat ihn, so wie Olga Pa, stets auf seinen Hausbesuchen begleitet und dabei viel medizinisches Fachwissen erworben. Ein Studium der Medizin kam für sie aber nicht infrage, das war allein den Söhnen der Familie vorbehalten.

Auch Ihr Vater war Arzt. Gibt es Parallelen zu Olgas Erfahrungen?
Mehr als mir lieb ist … Beim Mittagessen hat mein Vater gern die kuriosesten Krankheitsgeschichten mit uns geteilt. Außerdem musste er als Hausarzt ständig verfügbar sein: An Heiligabend oder mitten in der Nacht, immer riefen Patienten an und verlangten, dass er unverzüglich zum Hausbesuch antreten sollte. •